Ein alter, blinder Rumäne, der sich an einer verrosteten Zugtür festhaltend mit dem Ventilator vor dem Gesicht im Geiste gen Westen fährt; rumänische Plüschtiere, denen die Einreise nach Deutschland verweigert wird; ein Haufen Osteuropäer, die sich auf das gemeinsame Schimpfwort "Fuck" einigen – der Theaterzug "Orient-Express - eine europäische Theaterreise" macht Bahnhöfe des Balkans zu seiner Bühne. Hier spielen Bühnen verschiedener europäischer Länder "Terror und Glück der Mobilität, Ängste und Verheißungen der EU-Osterweiterung", zitiert der Zeit-Redakteur und Theaterkritiker Peter Kümmel das Staatstheater Stuttgart. "Das gelingt mit allen europäischen Mühen", sei es die fehlende gemeinsame Sprache, oder die europäische Bürokratie, die den Zug stundenlang an der türkisch-bulgarischen Grenze brüten lässt. Die gesuchte Völkerverständigung wirft beim Realisierungsversuch viel Ratlosigkeit auf. Doch mit "Einmischung eines neutralen Schotten und einer Flasche Johnnie Walker [...] wird es [für die Passagiere] eine tolle, geradezu utopische Nacht". Und als der Autor auf dem Rückweg einen Bukarester Flughafen voller US-Soldaten auf dem Weg nach Afghanistan erlebt, "denkt er plötzlich [...] Man sollte [...] nicht so viel fliegen; man sollte noch viel mehr Zug fahren."
Die ganze Welt ist ein Bahnhof
Wenn deutsche, türkische, rumänische, kroatische, serbische und slowenische Schauspieler an Bord eines zum Theater umgebauten Zugs durch Europa fahren, so lautet ihr Auftrag: „Völkerverständigung“ mit allen Tücken, Ängsten und Verheißungen. Gar nicht so einfach, bemerkt die Zeit, die von Istanbul bis Bukarest mitgereist ist.
Veröffentlicht am 22 Juli 2009 um 15:09
"Fanfara Kalashnikov" beim Orient-Express-Festival. © Oliver Paul - Stuttgarter Nationaltheater.
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