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Wir sind alle Piraten

Pirate Bay, eine der größten Filesharing-Suchmaschinen der Welt, steht zum Verkauf. Mehrere Regierungen, allen voran Frankreich, wollen illegales Downloaden strafrechtlich belegen. Die Debatte um geistiges Eigentum schlägt Wellen. Dabei, merkt Dilema Veche an, sind alle Internet-Nutzer potentielle Web-Verbrecher.

Veröffentlicht am 22 Juli 2009 um 17:33
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Das Raubkopieren von Tonträgern aller Art, Schallplatten oder Kassetten, ist in Rumänien seit den fünfziger Jahren weit verbreitet. In den 80er Jahren kursierten Photokopien von Büchern, die das kommunistische Regime verboten hatte. In den neuziger Jahren kamen dann die eifrigen Sammler von raubkopierten Kassetten und CDs dazu. Für sie war der Übergang zum MP3 ein Kinderspiel. Aus rumänischer Sicht gibt es also keine Hemmungen, über Datenpiraterie zu reden, denn die Geschichte hat uns gelehrt, dass eine Raubkopie manchmal mehr Wert haben kann als das Original. Die Rumänen sind geborene Piraten. Es fällt uns leicht, die neuen Technologien unseren Bedürfnissen anzupassen und wir betrachten die neuen Datenträger als gratis.

Doch ist die Wirklichkeit komplexer. Der berühmte Fall der Firma Pirate Bay eine der größten Filesharing-Suchmaschinen der Welt, die wie Napster von einem Global Player aufgekauft wurde, der vom Prinzip des kopimi kopier mich nichts wissen und den Datentausch p2p peer to peer gebührenpflichtig machen will, ist ein gutes Beispiel, in welche Richtung die Dinge heute gehen. Wir alle sitzen mit Pirate Bay auf der Anklagebank. Werden wir uns bewusst, dass der Austausch nicht nur das Downloaden, sondern auch das Uploaden von Dateien bedeutet, dann erst sind wir reif, um am multimedialen Ökosystem teilzunehmen. Sei es beim partizipativen Journalismus oder den sozialen Netzwerken, die sich in allen Bereichen des Open-Source-Prinzips bedienen.

1,9 Million Dollar für 24 Musiktitel

Mitten in der Wirtschaftskrise versuchen die Staaten und Organisationen zur Wahrung des Urheberrechts sich gegen die abgebrannten Teenager zu schützen, die trotzdem Musik abspielen und hören wollen, und sie verabschieden restriktive Gesetze. Derzeit liegt die Tendenz bei der Besteuerung. Die Gründer von Pirate Bay sind die Helden dieses Phänomens. Peter Sunde Gründer und Sprecher von Pirate Bay war auch der erste Angeklagte, der direkt von der Anklagebank die Eindrücke seines eigenen Prozesses auf Twitter veröffentlichte.

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Das daraufhin folgende Multimediaspektakel oder "Spectrial" von spectacle und trial, Prozess auf Englisch, diente der Piratenpartei, die in diesem Jahr ins Europaparlament eingezogen ist. Vor und nach dem Prozess haben die Angeklagten eine große Anzahl von Happenings veranstaltet, um ihre Sache zu mediatisieren.

Vor ein paar Wochen wurde eine alleinstehende Mutter zu 1,9 Millionen Dollar Strafe verurteilt, weil sie 24 Musiktitel von der Kazaa-Site heruntergeladen hatte. In einer deutschen Werbekampagne gegen Datenpiraterie singen eine Mutter und ihr vierjähriger Sohn vor einem Gefängnis "Happy Birthday". Der Vater sitzt dort ein, weil er einen Zeichentrickfilm für seinen Sohn heruntergeladen hat.

Die Franzosen wollen nicht nur den Internetzugang für Raubkopierer kappen (nach drei Verwarnungen), sondern Letztere sollen dazu noch ihr Abo weiter zahlen. Um jene, die Dateien austauschen, ohne den Firmen ihren Tribut zu zahlen, zu diabolisieren, werden vom System wahllos irgendwelche Schreckgespenster an die Wand gemalt. Doch gegen alle und jeden vorgehen zu wollen, ist nicht nur unwirksam, sondern buchstäblich irrationell.

Das gewichtigste Argument gegen die Piraterie – das wiederum durch die steigenden und nicht sinkenden Verkaufszahlen von digitalen Kulturgütern widerlegt wird – basiert darauf, die Künstler verteidigen zu wollen, die Geld brauchen, um leben und kreieren zu können. Die Musiker können jedoch durch Konzerte und ein alternatives Marketing ihr Einkommen sichern, die ihnen zudem mehr einbringen als die fünf bis sieben Prozent, die ihnen die Plattenfirmen gewähren. Die Filmindustrie hat auch schon begriffen, wie man vom technologischen Fortschritt profitieren kann. Er ermöglicht neue Formate wie 3D oder gar 6D-Kino usw., die man besser im Saal sieht als zu Hause.

Der Krieg, der gegen die User angezettelt wurde, von denen viele sich ein legales Angebot nicht leisten können (eine chinesischer Arbeiter muss beispielsweise 100 Stunden für eine Windows-Lizenz arbeiten, während dem Japaner 40 Minuten reichen würden), basiert auf einer Strategie, die der neuen Informationsgesellschaft nicht angepasst ist.

Eines Tages werden wir gereift sein, und das Virtuelle wird uns völlig natürlich sein. Bis dahin erscheint eine Global-Lizenz oder eine monatliche Gebühr zum Download von digitalen Kulturgütern- mit klaren Regeln zum Urheberrecht - ein intelligenterer und effizienterer Weg als das "Wer dreimal erwischt wird, fliegt raus" oder das Anprangern und Bestrafen von Millionen Usern.

MEINUNG

Technologie ist schneller, als das Gesetz erlaubt

Illegaler Datenaustausch ist fast so alt wie das Internet selbst. So lautet es in einem langen Bericht der [Financial Times](http:// http://www.ft.com/cms/s/0/57d161dc-7656-11de-9e59-00144feabdc0.html). Spätestens 1999 hatte Napster den Geschmack der Massen getroffen. Zehn Jahre später ist die Musikindustrie noch immer keinen Schritt weiter, wenn es um die Lösung der Probleme geht, die Napster seitdem verursacht hat. Die Financial Times berichtet, dass im vergangenen Jahr für jeden online gekauften Song 20 illegale Exemplare downgeloadet wurden. Der Filmindustrie ist ebenso bange.

Allerdings unterstützt eine Industrie, die "sich selbst als Opfer hinstellt, während sie gerichtlich gegen alleinerziehende Mütter und andere vollkommen gewöhnliche Konsumenten vorgeht und von ihnen riesige Geldbeträge fordert, eigentlich nur die wirklichen Straftäter wie Pirate Bay und diejenigen, die das Downloaden und Stehlen von Musik und Filmen zu einem wichtigen Punkt in ihrem ganz persönlichen ideologischen Kampf gemacht haben", meint die Financial Times. Mit der in Schweden stattgefundenen Wahl von Christian Engström, dem ersten EU-Abgeordneten der Piratenpartei, wird die Angelegenheit nun auch zu einer Frage des europäischen Parlamentes. Angestrebt wird die Dauer des kommerziellen Urheberschutzes auf fünf Jahre zu verringern, sowie "nicht-kommerzielles Kopieren und Benutzen" zu legalisieren. Dass sei genau so, als wenn Eis liefernde Unternehmen Kühlschränke als gesetzeswidrig erklären, meint er und fährt fort: "So soll ein Gesetz also ein überholtes und veraltetes Geschäftsmodell schützen?" Einige Industriefachleute könnten vielleicht damit einverstanden und ebenso der Meinung sein, dass die Verfolgungsjagd auf neue Internetseiten nichts nützt, solange die Technologie schneller ist als das Gesetz erlaubt.

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