Sonnig und nett. Touristen im Güell-Park. Photo: whatbarcelona.com

Barcelona, Dolce Vita

Die katalonischen Hauptstadt ist voller Italiener. Sie bilden hier mittlerweile die größte ausländische Gemeinschaft. Vor allem junge Menschen schätzen ihr Flair und die dynamische Wirtschaft. Allerdings ist die Region auch ein Refugium für die italienische Mafia geworden, schreibt La Repubblica.

Veröffentlicht am 23 Juli 2009 um 16:42
Sonnig und nett. Touristen im Güell-Park. Photo: whatbarcelona.com

Nicht nur die Ramblas, die Schnörkel der Sagrada Familia oder das "Bacalao al pil-pil"-Rezept von Pepe Carvalho locken jedes Jahr neue italienische Zuwanderer nach Barcelona und haben die Stadt von Gaudí und Mirò in ein neues Eldorado für unsere Landsleute verwandelt.

"Es ist die Weltanschauung, die Einstellung", erklärte diese Woche in [Le Monde](http://Le Monde) ein Küchenchef aus dem Friaul, der sein Glück in der katalanischen Hauptstadt gemacht hat. "Hier sind die Leute positiv eingestellt, und zu Ausländern so freundlich wie sonst nirgends." Seit diesem Jahr ist die italienische Gemeinschaft größer als alle anderen, die sich niedergelassen haben, größer als die Ecuadorianer, die Pakistanis und die Bolivianer.

Der neueste Schwung folgte wahrscheinlich den Spuren von Zlatan Ibrahimovic, als er vom Inter Mailand zum famosen Barça überwechselte. Fakt ist jedoch, dass kürzlich 22.685 Italiener in Barcelona erfasst waren, und dass die Einwanderungswelle jährlich um 15 bis 20 Prozent zunimmt. Knapp 50.000 Italiener leben heute in Katalonien. Im Jahr 2000 waren es kaum 15.000. Dies sind die offiziellen Zahlen, doch sie könnten sich in Wirklichkeit auf das Doppelte belaufen. Und während andernorts die Rentner die Statistiken anführen, sind die Neuankömmlinge in Katalonien junge Menschen zwischen 25 und 40, oft Jungdiplomierte, die von der politischen und sozialen Situation in Italien sowie von den mangelnden beruflichen Perspektiven enttäuscht sind.

Die Lage, die sie in Barcelona vorfinden, ist nicht immer besser. Die meisten arbeiten in der Gastronomie, in Boutiquen oder in Call-Centern. Anspruchslose, schlecht bezahlte Jobs, aber in einer Stadt, in der man "besser lebt". Seit mindestens zwölf Jahren ist Barcelona bei den jungen Italienern angesagt, als Startort in ein neues Leben, aber auch als Reiseziel oder als Studienaufenthalt (ein Viertel der ausländischen Erasmus-Studenten stammen aus Italien). Das maritime Barcelona ist viel besser als Madrid: eine zauberhafte Stadt mit lauter kleinen Plätzen und Brunnen, warmes Wetter, so gut wie nie Regen, einer peinlichst bewachten kulturellen Diversität, doch weder intolerant noch verschlossen.

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Die neue "italienische Leidenschaft", so Le Monde, hat mit der Krise nicht nachgelassen. Hier ist das Leben nicht günstiger als in Italien und seit einiger Zeit sind auch die Möglichkeiten der Arbeitsfindung ähnlich willkürlich. Im Konsulat geht man davon aus, dass die Wirtschaftskonjunktur zwar den Einreiserhythmus verlangsamen könnte, nicht aber das Ziel der Reisenden: Die italienische Gemeinde Barcelonas wird noch weiterhin Zuwachs bekommen.

Diese "Invasion" wurde ganz sicher vom "Tremaglia-Gesetz" angekurbelt, dank welchem viele junge Nachfahren italienischer Auswanderer in lateinamerikanischen Ländern die Staatsangehörigkeit ihrer Eltern und Großeltern wieder annehmen durften: Argentinier, Uruguayer oder Brasilianer kamen dann nach Spanien, um zu bleiben, oftmals mehr aus sprachlichen als aus beruflichen Gründen.

Doch Barcelona ist auch ein attraktives Markenzeichen, ein Logo. Die Broschüren der Gemeinde preisen sie als die mediterrane Stadt schlechthin, die durch ihre wirtschaftliche Dynamik in den vergangenen zehn Jahren für Tausende von europäischen und italienischen Studenten sehr reizvoll geworden ist. Sie haben hier eine erste Arbeitsstelle gefunden oder ihre berufliche Laufbahn begonnen. Die italienischen Barcelona-Liebhaber haben eine Website erstellt, auf der jeder, der sich hier niederlassen will, alle nötigen Informationen findet, von der Wohnungssuche bis zum Spanischunterricht. Zu guter Letzt hat Barcelona zudem das Image einer liberalen Stadt, bürgerlich und sozialistisch, die antifaschistische Hochburg Spaniens zur Zeit des Bürgerkriegs, die von George Orwell verteidigt und beschrieben wurde. Kurz, sie ist das andere Spanien, das sich vom kargen Kastilien unterscheidet.

Natürlich ist nicht alles, was glänzt, auch Gold. Katalonien und die Costa del Sol bis Marbella sind ein Refugium für 70 Prozent der napolitanischen Camorra-Oberhäupter geworden. Ein Migrationsfluss, der in den 80er Jahren begann und nie endete. Die italienischen Justizbeamten sehen in dem kleinen Paradies auch eine Drehscheibe für die Cosa Nostra und die 'Ndrangheta, von welcher diese Organisationen den Drogenhandel in Europa kontrollieren. Dies wurde untermauert durch die Festnahme von sechs Mafiabossen in Marbella, einem Strandort, den die spanische Polizei aufgrund der hohen Konzentration an italienischen Mafiosi, die dort ihren Wohnsitz haben, in "Cosa Nostra" umbenannt hat.

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