Welcher Unterschied zwischen Gaddafi und Assad?

Freie Hand für Assad

Der in Libyen von Muammar al-Gaddafi verübten Repression wollte die EU entschlossen ein Ende bereiten. Auf das gewaltsame Regime Bashir al-Assads in Syrien reagiert sie wesentlich verhaltener. Die am 10. Mai verhangenen Sanktionen sind unzureichend und vermitteln ein Gefühl der Ohnmacht.

Veröffentlicht am 12 Mai 2011 um 13:33
Tom  | Welcher Unterschied zwischen Gaddafi und Assad?

Warum die westlichen Verbündeten es ablehnen, im aufständischen Syrien auf ähnliche Weise einzuschreiten, wie in Libyen? Es scheint ihnen an Möglichkeiten zu mangeln. Nichtsdestotrotz ist das harte Durchgreifen von Assads Regime gegenüber den Protestierenden in Syrien kaum humaner oder akzeptabler als das, was al-Gaddafi getan hat und weiterhin tut, indem er die Aufstände mit seinen Leibeigenen zu unterdrücken versucht.

Allerdings könnte sich ein Militäreinsatz in Syrien als wesentlich komplizierter erweisen. Und wenn man die strategische Lage des Landes im nahöstlichen Wespennest berücksichtigt, erscheinen die Konsequenzen in der Tat unabsehbar. Kein Wunder also, dass der Westen es nicht besonders eilig hat, eine Entscheidung zu finden. Besonders im Moment, wo sich die Lage in Libyen scheinbar festgefahren hat. Überraschend ist das nicht wirklich. Eigentlich ist es ein sogar ziemlich logisches Ergebnis. Schließlich scheiterte man daran, frühzeitig zu klären, was genau unternommen werden soll, und wozu man tatsachlich in der Lage wäre, um das einzig sinnvolle Ziel des ganzen Unternehmens zu erreichen: Der Sturz al-Gaddafis.

Die scheinbar vernünftigen Gründe dafür, die syrischen Panzer nicht davon abzuhalten, Demonstranten niederzumetzeln, sind aber keine Entschuldigung für die Europäische Union. In dieser jüngsten Krise hat sie wieder einmal vollkommen versagt. Sie war nicht einmal fähig, mit ihren eigenen Mitteln in einem angemessenen Zeitraum auch nur das Geringste zu tun. Wie kann es sein, dass die härtesten Sanktionen gegen einige der wichtigsten Mitglieder des syrischen Regimes erst gestern verhangen wurden, und dass die Regime-Spitze, Präsident Bashir al-Assad, nicht einmal auf der Liste steht? Wie kommt es, dass die Union einem Waffenembargo gegenüber Syrien erst am Montag, d. h. fast zwei Monate nach Ausbruch der Unruhen, grünes Licht gab? Beide Entscheidungen könnten ein wenig mehr als nur Gesten sein. Warum aber hat man sich nicht eher dazu durchgerungen, und ein wirklich "klares und eindeutiges Signal“ gesendet, dass die EU-Politiker sich auch weiterhin mit dem Problem auseinandersetzen? Stattdessen wurde wieder einmal nur gezeigt, wie unfähig sie sind.

Paradoxerweise bietet die – wie sie genannt wird – widerspenstige Struktur der gemeinsamen EU-Diplomatie einen Erklärungsansatz. Auf den Traum der Union, ihre militärischen Fähigkeiten auf der internationalen Bühne zu nutzen, hat diese gemeinsame Diplomatie bisher nur negativen Einfluss ausgeübt. Entscheidungen werden auch weiterhin so getroffen wie zuvor: die großen Mitgliedsstaaten einigen sich ganz unter sich. Damit das Ganze nicht zu verfänglich aussieht, hat man – aus reiner Höflichkeit – nun eine zusätzliche Beratungs-Runde eingebaut, in der die Spitze der EU-Außenpolitik, Lady Ashton, und ihre Mitarbeiter sich einbringen. Kein Wunder, dass Brüssel nun noch weniger hinbekommt als zuvor.

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