Serbische Demonstranten setzen den Grenzübergang des Kosovo zu Serbien in Brand. Jarinje, 27. Juli 2011.

Schmuggelkrieg im Kosovo

Ein Grenzübergang geht in Flammen auf, die Nato-Schutztruppe muss das Schlimmste verhindern: Die Grenze zwischen Kosovo und Serbien ist ein Schmugglernest und Sprengstoff auf dem Balkan. Der Schlüssel zu einer Entspannung der Lage liegt aber gerade im Handel, schreibt ein niederländischer Kolumnist.

Veröffentlicht am 29 Juli 2011 um 13:32
Serbische Demonstranten setzen den Grenzübergang des Kosovo zu Serbien in Brand. Jarinje, 27. Juli 2011.

Der Kosovo mag seit Februar 2008 ein unabhängiger Staat sein, er ist aber auch eine geteilte Nation in einer gespaltenen Welt. Die Unruhen am Grenzposten von Jarinje [seit dem 20. Juli], bei denen ein Polizist ums Leben kam, zeigen das heute deutlich. Seit zwei Jahren findet der Kosovo keine Ruhe, trotz der massiven Präsenz der NATO-Friedenstruppen und EU-Berater.

Im Kosovo akzeptiert die serbische Minderheit nicht die politische Hoheit von Pristina. Die Serben machen rund 8 Prozent der Bevölkerung aus und leben vor allem im Norden bei Mitrovica und in der südlichen Enklave Štrpce. Sie haben ihre eigene Wirtschaft rund um den (Schmuggel-) Handel aufgebaut und ihre Devise ist der serbische Dinar. Die Kosovaren rechnen in Euro. Diese Minderheit wird von den nationalistischen Kräften in Serbien, welche den Status quo ablehnt, unterstützt.

Umgekehrt will die Regierung Kosovos ihre Grenzhoheit endlich durchsetzen. Kein Land kann solch unerlaubte Schmuggelzonen tolerieren. Die Polizeiaktion von Jarinje war gerechtfertigt. Die Tatsache, dass die Polizeikräfte von Kosovo-Serben vertrieben wurden, kann Pristina nicht durchgehen lassen. Auch nicht jetzt, wo NATO-Truppen der KFOR patrouillieren und wieder eine Art Ruhe eingekehrt ist.

Es ist kein Zufall, dass Ministerpräsident Thaci gleichzeitig serbische (sprich: aus Belgrad gesteuerte) „Strukturen“ beschuldigt, ihre Hände bei den gewalttätigen Vorfällen im Spiel zu haben. Um die Situation zu entschärfen, sagte der serbische Präsident Tadic, dass die Erstürmung des Grenzpostens von Jarinje die Tat von „Vandalen“ gewesen sei, die den bilateralen Dialog untergraben wollen. Tadic will den Grenzvorfall so klein wie möglich halten.

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Aber auch Tadic weiß, dass sein Ansehen bei den ethnischen Serben gering ist, weil er als Mann gesehen wird, welcher der EU zahlreiche Zugeständnisse gemacht hat. Er läuft auf Eiern. Deshalb möchte Serbiens Regierung mit Hilfe Russlands das Thema auf die Tagesordnung des UN-Sicherheitsrats bringen. Russland ist — übrigens neben Spanien und vier anderen EU-Staaten [Slowakei, Rumänien, Griechenland, Zypern] — eines der 77 Länder der Welt, die den Kosovo noch nicht anerkannt haben. Daher ist die EU, welche die Gewalt in Jarinje als „inakzeptabel“ bezeichnete, nun bemüht, so rasch wie möglich zu vermitteln.

Mediation ist in der Tat der einzige Weg. Von Serbien kann nicht verlangt werden, dass es den Kosovo heute anerkennt. Die Wunde des gekränkten Stolzes ist noch zu frisch. Aber man kann von Belgrad fordern, den Handel mit Kosovo zu erlauben, so dass Pristina nicht noch Öl ins Feuer gießen muss. Handel ist in jedermanns Interesse. Denn letztlich ist der Handel das beste Schmieröl für die Normalisierung bilateraler Beziehungen.

Aus dem Niederländischen von Jörg Stickan

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