Zuchttauben. Foto von Lybraryman.

Die Flugtauben-Mafia

Der Flugtaubensport ist ein Geldspiel geworden, bei dem Millionen von Euro auf dem Spiel stehen. Asiatische Taubenliebhaber schätzen die von belgischen Züchtern trainierten Tauben so sehr, dass sie sogar zur Zielscheibe mafiöser Aktivitäten geworden sind.

Veröffentlicht am 31 August 2009 um 13:42
Zuchttauben. Foto von Lybraryman.

In den internationalen Taubenliebhaber-Kreisen ist der Name Ronny Van Reet ein Begriff. Beim letzten nationalen Flug, der in Argenton [Lot-et-Garonne, Frankreich] startete, hat Van Reet erneut bewiesen, dass er einer der besten Taubenzüchter- und Trainer ganz Belgiens ist. "Wenn man sich in diesem kleinen Kreis erst einmal einen Namen gemacht hat, muss man auf der Hut sein", erklärt der offensichtlich entmutigte Van Reet. Vierzehn seiner "Kleinen" wurden am vergangenen Donnerstagabend aus seinem Taubenschlag in Mol [Flandern] gestohlen. Wenige Zeit später fand man sie in einem naheliegenden Wald wieder. Sie hatten nur noch ein Beinchen und keinen Erkennungsring mehr. "Für einen Taubenzüchter, der sich rund um die Uhr um seine Tauben kümmert, ist das ein vernichtender Schlag", beschreibt Van Reet die Situation. "Jede Woche fahre ich extra drei Mal nach Valenciennes, um sie dort fliegen zu lassen und sie zu trainieren. Ich gebe ihnen sehr teures Futter und ganz spezielle Vitamine. Es handelt sich nicht um die besten Tauben, aber eben um solche Vögel, die aufgrund ihrer Muskeln und ihrer nötigen Intelligenz ausgesucht wurden." Schon am Mittwoch hatte er in der Nähe seines Taubenschlags die Geräusche von Eindringlingen gehört. Ein Augenzeuge hatte drei Männer asiatischen Typs gesehen, die im Wald Plastiktüten hinterlegten. Weil er glaubte, dass es sich hier um illegale Müllabladungen handelt, machte er ein paar Bilder von den Männern und ihrem Auto, bevor er die Polizei informierte. Die Fahndung nach dem Dreigespann konnte beendet werden, als sich am Samstagabend zwei Chinesen und ein Dolmetscher gegen Mitternacht spontan auf dem Polizeirevier meldeten. "Der Bericht und die Bilder sind auf unzähligen Internetseiten von Taubenliebhabern veröffentlicht worden. Die drei Männer müssen auf diese Weise davon erfahren haben, dass sie gesucht wurden", meint Ludo Meeus, der Polizeikommissar von Mol. Das Auto, welches auf dem Bild des Augenzeugen zu sehen ist, gehört dem Dolmetscher. Unterdessen beteuerten die zwei Chinesen die gesamte Anhörung über ihre Unschuld. Sie seien nur nach Belgien gereist, um dort Tauben zu kaufen. "In der Tat gibt es einen Augenzeugen, aber eine Taube ohne Erkennungsring ist für die Polizei wie ein Auto ohne seine Fahrgestellnummer. Wir können da nicht viel machen", kommentiert Meeus. "Zudem wollte der Besitzer uns die Nummern der Ringe nicht geben. Um diesen Fall wirklich zu klären muss noch die ein oder andere widersprüchliche Aussage geklärt werden."

25.000 Euros für eine Taube

Van Reet ist hingegen davon überzeugt, dass die Übeltäter anderen wertlosen Tauben die Erkennungsringe anlegen wollten, um diese als Tauben des bekannten belgischen Taubenzüchters auszugeben. "Um eine Taube nach China auszuführen, muss man etwa 70 Euro zahlen", erklärt der Taubenzüchter. "Wenn man aber nur die Erkennungsringe mitnimmt, so kostet das gar nichts und man gerät auch nicht so schnell ins Fadenkreuz der Ermittler." Den Taubenkennern zufolge sind die Tauben des bekannten belgischen Taubenzüchters in Ländern wie China, Taiwan oder Japan hochgeschätzte Tiere. "Die Chinesen sind sogar bereit, 25.000 Euro für eine belgische Wettkampf-Taube auszugeben", sagt der Taubenliebehaber und Wettbewerbsteilnehmer Rudi Hendrikx, der auch Eigentümer der Taubenliebhaber-Zeitung Duivenkrant ist. "Doch ist es eigenartig, dass Chinesen hinter diesem Diebstahl stecken sollen. Eigentlich will man im Fernen Osten vielmehr lebendige Wettkampftauben für die verschiedenen Zuchten. Ohne Eigentumsbeweise und Stammbaum kann man dort mit diesen Erkennungsringen nicht viel anfangen. Anders ist das in den Ländern Osteuropas, wie beispielsweise Polen. Dort verkauft man die Erkennungsringe belgischer Tauben auf dem Schwarzmarkt für 100 Euro das Stück."

In den vergangenen Jahren scheint die Anzahl von Taubendiebstählen in unserem Land erheblich angestiegen sein. "Im Ausland ist Belgien als Wiege des Flugtaubensports bekannt", erklärt Pierre De Rijst, Präsident der Vereinigung der belgischen Brieftaubenzüchter. "In der Nacht von Samstag zu Sonntag wurden einem bekannten Taubenzüchter in Antwerpen fünfzig weitere Tauben gestohlen. Jetzt ist es so weit. Der Bogen wurde überspannt. Die Taubenzüchter sind nun gezwungen, zur Videoüberwachung überzuwechseln."

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Die chinesische Mafia nimmt an den Flugtaubenmeisterschaften teil

Jo Herbots arbeitet als Taubenmakler und exportiert die flüchtigen Tiere aus Belgien in den Fernen Osten. "In Taiwan dreht es sich bei der Taubenliebhaberei vor allem um viel Geld", sagt er. "Hier geht es um bis zu zehn Millionen Euro. Aus diesem Grund sind sie bereit, Wetten für eine Taube abzuschließen, die von einem belgischen Züchter trainiert wurde." Einige Taubenzüchter, wie beispielsweise der Sekretär der "Jungen Taubenliebhaber", Albert Pieters, der aus Herdersem stammt, sprechen von der "asiatischen Taubenliebhaber-Mafia". "Immer wenn viel Geld im Spiel ist, gibt es Wetten", kommentiert Herbots. "Wenn man sich die Gewinne anschaut, kann man sich ungefähr vorstellen, wie viele Millionen während des Spiels selbst verloren gehen." Der Präsident der Vereinigung der belgischen Brieftaubenzüchter, Pierre De Rijst, weiß auch, dass die Taubenwettbewerbe eine hohe Anziehungskraft auf das Wett-Milieu ausüben. "Im Internet gibt es Seiten, auf denen man für internationale Flüge Geldwetten abschließen kann", berichtet De Rijst. In der Zeitung The Tapei Times spricht der Professor für Politikwissenschaften an der Universtät Cheng Kung in Taiwan, Yang Yungnane, sogar von Tauben-Entführungen in Wettbewerbskreisen.

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