Taiga Russe. Photo von Nepthtys

Europa atmet im Osten

Wissenschaftler des "CarboEurope"-Projekts haben eine Kohlenstoffbilanz der terrestrischen Ökosysteme Europas aufgestellt. Ergebnis: sie absorbieren ungefähr 20 Prozent des CO2-Ausstoßes.

Veröffentlicht am 27 Mai 2009 um 16:51
Taiga Russe. Photo von Nepthtys

Die Klimaerwärmung wird von Treibhausgasen genährt, die von zügelloser Nutzung der fossilen Energiequellen herrühren. Sie wurde bis jetzt gebremst durch als Puffer dienende "natürliche Kohlenstoffspeicher"(1). Diese absorbieren ungefähr die Hälfte des CO2, dass wir in die Atmosphäre ausstoßen.

Aber wie viel Kohlendioxid fangen die terrestrischen Ökosysteme Europas wirklich auf und wie viel geben sie wieder ab? Mehrere hundert Forscher haben sich zu dem Projekt "CarboEurope" zusammengeschlossen, um genau diese Frage zu beantworten. Zwischen 2004 und 2008 haben sie den Kohlenstoffaustausch an hundert verschiedenen Orten Kontinentaleuropas von der Atlantikküste bis zum Uralgebirge analysiert; in Waldgebieten, Wiesen, Ackerbauflächen und auch, in geringerem Ausmaß, in Hochmooren. Alle in der Europäischen Union vorkommenden Böden in allen Breitengraden wurden bei diesen Forschungsarbeiten berücksichtigt. Entstanden ist eine umfassende "Kohlenstoffbilanz" mit interessanten Ergebnissen.

Aus dieser Bilanz geht hervor, dass die Gesamtheit der terrestrischen Ökosysteme Kontinentaleuropas tatsächlich einen dieser Kohlenstoffspeicher darstellt. Selbst wenn es regionale Unterschiede gibt, werden durchschnittlich "ungefähr 20% des durch die Nutzung fossiler Brennstoffe verursachten CO2–Ausstoßes von der Biosphäre absorbiert. Allerdings sinkt diese Zahl um 10% auf dem Level des Europa der 25 Staaten." Darüber hinaus fällt die Bilanz dieser zweiten Betrachtung gegen Null, wenn man den Einfluss von Methan und Stickoxid mit einbezieht, die sehr viel stärker zur Erderwärmung beitragen als das Kohlendioxid, selbst wenn sie in weitaus geringerer Menge vorhanden sind.

"Fast 60% des Kohlenstoffspeichers Kontinentaleuropas befindet sich in den osteuropäischen Staaten, hauptsächlich in Russland", fährt unser Gesprächspartner fort. "Die Wälder sind das beste natürliche Mittel, um auf lange Sicht das CO2 einzulagern", stellen die Forscher des Weiteren fest. Doch auch die Wiesen tragen das Ihre dazu bei, indem sie mehr Kohlenstoff im Boden einschließen als die Waldgebiete. Landwirtschaftliche Anbaugebiete hingegen stellen leider ein ungünstiges Areal dar: "Wir mussten feststellen, dass es sich dabei um Emissionsquellen und keine –speicher handelt. Die europäische Landwirtschaft lässt wenig Kohlendioxid entstehen, ist aber eine große Quelle anderer Treibhausgase wie zum Beispiel Methan und Stickoxid." Dies scheint die Folge bestimmter Praktiken intensiven Landbaus zu sein.

Das Beste vom europäischen Journalismus jeden Donnerstag in Ihrem Posteingang!

Darüber hinaus liefert die Studie weitere aufschlussreiche Lehren über die Fähigkeit der Wälder, CO2 aufzufangen. "Wenn wir einen größeren Raum-Zeit-Maßstab nehmen, fällt auf, dass der Hauptfaktor dieser Fähigkeit das Alter des Waldes ist. Sie wird aber auch durch Stickstoff-Ablagerungen aus der Atmosphäre beeinflusst." Besser noch, auch die ältesten Wälder tragen weiterhin dazu bei, Kohlendioxid zu speichern, obwohl man bis jetzt annahm, dass ihre Bilanz neutral sei. Dieses Element wird sicherlich die Aufmerksamkeit der Länder mit großen Waldvorkommen wecken. Nun gilt es nur noch, die besten Mittel zu finden, wie man mit diesen Speichern umzugehen hat, um ihre Effizienz zu halten oder sogar zu steigern.

(1) Ein natürlicher Kohlenstoffspeicher ist ein natürliches Reservoir, das den Kohlenstoff aus der Atmosphäre aufnimmt und dazu beiträgt, die Menge an CO2 zu reduzieren. Heutzutage bilden vor allem die Ozeane sowie einige Grünflächen die wesentlichen natürlichen Kohlenstoffspeicher.

Tags
Interessiert an diesem Artikel? Wir sind sehr erfreut! Es ist frei zugänglich, weil wir glauben, dass das Recht auf freie und unabhängige Information für die Demokratie unentbehrlich ist. Allerdings gibt es für dieses Recht keine Garantie für die Ewigkeit. Und Unabhängigkeit hat ihren Preis. Wir brauchen Ihre Unterstützung, um weiterhin unabhängige und mehrsprachige Nachrichten für alle Europäer veröffentlichen zu können. Entdecken Sie unsere drei Abonnementangebote und ihre exklusiven Vorteile und werden Sie noch heute Mitglied unserer Gemeinschaft!

Sie sind ein Medienunternehmen, eine firma oder eine Organisation ... Endecken Sie unsere maßgeschneiderten Redaktions- und Übersetzungsdienste.

Unterstützen Sie den unabhängigen europäischen Journalismus

Die europäische Demokratie braucht unabhängige Medien. Voxeurop braucht Sie. Treten Sie unserer Gemeinschaft bei!

Zum gleichen Thema