Palästinensische Flagge mit "EU erkennt Palästina" an vor dem Hauptgebäude der EU-Kommission während einer Ratssitzung, Brüssel, September, 2011

Europas setzt sich zwischen die Stühle

Die EU bietet eine Alternative zur Position der USA über die Anerkennung eines palästinensischen Staats bietet. Damit setzt sie sich der Kritik und dem Druck sowohl der Palästinenser als auch der Israelis aus.

Veröffentlicht am 21 September 2011 um 14:41
Palästinensische Flagge mit "EU erkennt Palästina" an vor dem Hauptgebäude der EU-Kommission während einer Ratssitzung, Brüssel, September, 2011

Die Europäer waren sehr beschäftigt in letzter Minute die Probleme vor der UNO-Abstimmung am 23. September über Palästina aus dem Weg zu räumen. Erstens ging es darum, eine gemeinsame Haltung der Union zu definieren. Zweitens, nicht von den Amerikanern in Verlegenheit gebracht zu werden, sollten diese bei der Abstimmung gegen einen Sitz der Palästinenser in den Vereinten Nationen stimmen. Drittens, nicht von den Palästinensern düpiert zu werden, sollten diese nicht wie versprochen für die Gründung eines unabhängigen Staates “zu gegebener Zeit” stimmen.

Europa wollte auf dem Mittelweg bleiben. Seine Köpfe haben einen Kompromissvorschlag ersonnen, den EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton dem Dreigespann USA-Israel-Palästina andrehen will, der aber auf Kosten palästinensischer Interessen geht. Man will einer Abstimmung in der UN-Vollversammlung den Vorzug vor einer Abstimmung im Sicherheitsrat geben, um somit dessen Mitglieder nicht in Bedrängnis zu bringen.

Zudem wollte man einen Vorschlag Nicolas Sarkozys durchsetzen, der einen Status ähnlich dem des Vatikans vorsieht, verbunden mit einer Reihe von neuen Kompetenzen, wie beispielsweise einer UNESCO-Mitgliedschaft und ähnlichem. Im Gegenzug würden die Amerikaner in der Vollversammlung nicht von ihrem Vetorecht Gebrauch machen und die dreiundzwanzig europäischen Länder für eine Aufwertung des Beobachterstatus Palästinas stimmen, was dem Land zusätzliches politisches Gewicht geben würde.

Das Blaue vom Himmel versprechen

Dafür müssten die Palästinenser zwei Bedingungen erfüllen. Erstens: Die Rückkehr an den Verhandlungstisch, und zwar in dem von Barack Obama vorgegebenen Rahmen. Mit anderen Worten: die Grenzen von 1967 sollen Verhandlungsgrundlage sein und die Möglichkeit eines Tauschs von Gebieten offen bleiben die meisten der israelischen Siedlungen im Westjordanland würden Teil Israels werden. Und zweitens das Versprechen, nicht vor dem Internationen Strafgerichtshof von Den Haag gegen Israel zu klagen.

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Der erste Punkt ist nichts Neues. Der Präsident der palästinensischen Autonomiebehörde Mahmud Abbas, hat bereits erklärt, dass der erste Schritt nach dem UN-Votum Verhandlungen seien. Neu ist allerdings die Idee, den Palästinensern ihr Recht auf eine Klage vor dem IStGH abzusprechen. Für den UN-Sitz würden die Palästinenser jener Waffe beraubt, die bei den Verhandlungen die Machtverhältnisse angleichen könnte. Könnten die Palästinenser vor dem Internationalen Strafgerichtshof gegen die Besetzung, Kolonien, Morde und die kollektive Bestrafung — wie beispielsweise die Besetzung des Gaza-Streifens — durch Israel klagen, würde das Land in die Ecke gedrängt und die Verhandlungen kämen endlich aus der Sackgasse.

Der von den Europäern vorgeschlagene “Mittelweg”, der sich als Alternative zu den Amerikanern versteht, verteidigt letztlich die Positionen Tel Avivs. Die EU zeigt sich gern großzügig mit den Palästinensern und hat oft schon das Blaue vom Himmel versprochen. Heute hofft die EU auf den Durchbruch, indem sie die Zukunft der zukünftigen palästinensischen Generationen aufs Spiel setzt. Mein Vorschlag an die Palästinenser wäre der Folgende: Schickt den EU-Kompromissvorschlag zurück mit der Anmerkung: “Nein danke”. (js)

Aus Israel

Tel Avivs letzte Hoffnung

“Die ganze Welt ist gegen uns, von unseren Nachbarn hier im Nahen Osten bis nach Amerika und von Afrika bis Asien”, schreibt Ha’aretz. “Keiner hätte es gedacht, doch Europa ist alles, was uns noch bleibt. Es ist zur Schlüsselfigur geworden.” Die Tageszeitung aus Tel Aviv berichtet, die Botschafter der fünf EU-Staaten im UN-Sicherheitsrat – Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien – seien “letzte Woche ins Außenministerium beordert” und gebeten worden, nicht für die Anerkennung eines palästinensischen Staats zu stimmen. Doch alle fünf Länder müssen auch an die – eher pro-palästinensische – Haltung der Öffentlichkeit zuhause denken, sowie an ihre Beziehungen zu den USA und ihren Wunsch, den festgefahrenen Friedensprozess wieder ins Rollen zu bringen.

Vom israelischen Standpunkt her “ist Europa zum ‘moralischen Kontinent’ gekrönt worden und muss dementsprechend handeln”, schreibt Ha’aretz. “Durch die Verabschiedung des Vertrags von Lissabon, der Verfassung der EU, wollte Europa seinen Platz auf der Landkarte beweisen. Infolge von Obamas Gelähmtheit steht es nun bei der UNO im Mittelpunkt. Das ist die Stunde der Wahrheit. Israel möchte, dass Moral an den Tag gelegt wird? Das möchten die Palästinenser auch.”

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