Rumänen und Bulgaren bekommen selten gute Nachrichten zu hören, und doch war das am heutigen 22. September der Fall. Der EU-Ministerrat hat beschlossen, den Beitritt Rumäniens und Bulgariens zur grenzkontrollfreien Schengen-Zone auf ein unbestimmtes Datum zu verschieben.
In Bukarest und Sofia wird diese Entscheidung sicher auf Einwände stoßen: Seit dem EU-Beitritt der beiden Staaten im Jahr 2007 ist die Erweiterung des Schengen-Raums ein vorrangiges Ziel. Der Beschluss der Niederlande, (mit Unterstützung durch Finnland) gegen die Aufhebung der Kontrollen an den Grenzen zu Bulgarien und Rumänien Veto einzulegen, kommt also gar nicht gut an.
Das war an der rumänischen Grenze festzustellen. Seit dem 17. September sitzen dort mehrere Lastwagen mit niederländischen Tulpen fest. Der Zoll behauptet, sie könnten gefährliche Bakterien enthalten. Manche Laster wurden auch schon in die Niederlande zurückgeschickt. Es ist wahrscheinlich, dass sich die Reaktionen nicht auf diesen “Blumenkrieg“ beschränken werden: Auf bulgarischer Seite hat der Außenminister bereits Vergeltungsmaßnahmen angekündigt.
Man darf sich allerdings fragen, ob sich die Bulgaren und die Rumänen dem Protest ihrer Regierungen anschließen werden. Eine Umfrage enthüllte kürzlich, dass sie an dem niederländischen Veto nichts wirklich auszusetzen haben. Jeder dritte Bulgare findet den Aufschub des Schengen-Beitritts sogar gerechtfertigt, obwohl Bulgarien die Beitrittsbedingungen erfüllt. Sie verstehen den Gedankengang der Niederlande, laut welchem Sofia und Bukarest zuerst einmal Fortschritte im Kampf gegen die Korruption und das organisierte Verbrechen machen müssen.
Den Haag übernimmt die undankbaren Aufgaben in Brüssel
Nicht zum ersten Mal übernimmt Den Haag in Brüssel eine undankbare Aufgabe an Stelle anderer Mitgliedsstaaten. Die Niederlande blockierten bereits den EU-Beitritt Serbiens, denn Belgrad weigerte sich, an der Verhaftung von Kriegsverbrechern mitzuarbeiten. Es ist bekannt, dass dieser Druck es in den letzten Jahren ermöglichte, doch noch alle Gesuchten zu fassen.
Im Fall Rumänien und Bulgarien werden die Resultate nicht unbedingt weniger beeindruckend sein. Doch es heißt jetzt oder nie. Sobald die beiden ärmsten Mitgliedsstaaten der EU den Kampf davongetragen haben, werden sie nämlich nicht mehr auf Brüssel hören wollen. Für alle, denen etwas am Schicksal der Bulgaren und der Rumänen liegt, ist das niederländische Veto zwangsläufig eine gute Nachricht. Ich bin sicher, dass man sich in Bulgarien und Rumänien weniger vor Grenzkontrollen fürchtet als vor Korruption und organisiertem Verbrechen.
Vor ein paar Jahren wurde die bulgarische Journalistin Lidya Pavlova mit dem Courage in Journalism Award ausgezeichnet, weil sie sich getraut hatte, Artikel über die Mafiabosse in ihrer Stadt zu schreiben. Sie musste das teuer bezahlen. Ihr Auto wurde demoliert und ihr Sohn wurde zweimal krankenhausreif geschlagen.
Seither hat sich vieles geändert. Ihr Leidensweg dauerte mehrere Jahre, doch die beiden lokalen Mafiabosse landeten letztendlich hinter Gittern, wenn auch die Stadt immer noch nicht völlig sicher ist. Als ich letzten Monat versuchte, ein Interview mit Lidya Pavlova zu bekommen, lehnte sie ab. “Ich will keine Probleme“, sagte sie. “Mit wurden schon zwölfmal die Autofenster eingeschlagen.“ Und solange Lidya Pavlova sich um ihre Autofenster Sorgen machen muss, bin ich für eine Aufrechterhaltung der Grenzkontrollen. (pl-m)
Aus Bukarest
Zufrieden mit der Abfuhr
Wer den Antworten auf eine Umfrage der Bukarester Presse glauben möchte, erfährt folgendes: 73 Prozent der Rumänen sind der Meinung, ihr Land sei nicht bereit für einen Beitritt zum Schengen-Raum, 85 Prozent pflichten dem Veto der Niederlande gegen ihren Eintritt in die grenzkontrollfreie Zone bei. Die beiden Umfragen stammen aus den Zeitungen Adevărul und Evenimentul Zilei.
“Hätte die Schengen-Niederlage vermieden werden können?“ fragt sich România libera. Die Tageszeitung ist der Meinung, “die rumänische Diplomatie hätte das Wiedererstehen des Nationalismus in Europa, das dem niederländischen und finnischen Veto zugrunde liegt, vorhersehen und dementsprechend handeln können“.