Die Europäer spinnen ihr Netz

Veröffentlicht am 17 Februar 2012 um 12:45

Für das Urheberrecht wie wir es bisher kannten sind die Zeiten schlecht. Nach Jahren der Verfolgungsjagd im Internet und verschiedenen Gerichtshöfen scheint es, als wären wir an einem Wendepunkt angekommen. Urheber sollen das Recht haben, für ihre Werke bezahlt zu werden, aber Internetbenutzer sollen weiterhin Inhalte teilen können. Nach der Versenkung der Gesetzte SOPA und PIPA in den USA, ist nun Europa an der Reihe, Weichen zu stellen.

Am 16. Februar hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) festgesetzt, dass soziale Netzwerke nicht dazu verpflichtet werden können, ein allgemeines Filtersystem einzurichten, dass die Nutzer daran hindert, illegal Inhalte aus dem Netz herunterzuladen. Der Gerichtshof entschied zugunsten des belgischen Sozialnetzwerkes Netlog.

Es wurde von der belgischen Gesellschaft Sabam verklagt, die die Interessen von Autoren und Komponisten vertritt. Die Richter in Luxemburg haben somit ihre Entscheidung aus dem letzten November bestätigt. Damals hatten sie befunden, dass man die Internetanbieter nicht dazu verpflichten könne, Filter einzusetzen. In beiden Fällen entschied der Europäische Gerichtshof, dass das Filtern die europäischen Regeln der Firmenfreiheit und des Datenschutzes verletze.

Ende Februar muss das Europäische Parlament die Prüfung des Multilateralen Abkommens zur Produktpiraterie (ACTA) angehen. Es wurde Ende Januar von der EU und einem Dutzend anderer Staaten unterzeichnet, muss aber noch von den 27 und den Europaabgeordneten ratifiziert werden.

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Doch dieser Text, der von vielen Vertretungen nur widerwillig abgezeichnet wurde, ist in mehreren Ländern Gegenstand starker Proteste, weil er den Regierungen mehr Rechte einräumt, im Namen des Kampfes gegen illegale Downloads den Zugang zum Internet einzuschränken. Seit Wochen reihen sich Demonstrationen gegen ACTA in Europa aneinander, vor allem in den ehemals kommunistischen Ländern, in denen man besonders sensibel auf die Einschränkung von Freiheitsrechten reagiert. Noch am 11. Februar gingen von Berlin über Warschau, Paris und Sofia hunderttausende von Menschen auf die Straße.

Ihr Aufruf hat Früchte getragen: Deutschland, Polen, die Tschechische Republik, die Slowakei, Bulgarien und Rumänien haben die Ratifizierung der ACTA ausgesetzt. Das Europäische Parlament hatte 2010 einer Resolution für das Abkommen zugestimmt. Jetzt wendet es sich aber mehr und mehr einer Ablehnung zu. Die Kommission unterstützt ACTA, wird aber Schwierigkeiten haben, den im Text so wichtigen Schutz des geistigen Eigentums europäischer Unternehmen geltend zu machen. Die Lobbies der Unterhaltungsindustrie und der Verlage spüren, dass sich der Wind dreht und fordern die Euroabgeordneten auf, dem Abkommen zuzustimmen.

Die Idee, dass das Internet ein Raum der Freiheit und des Austausches ist, zeichnet sich immer mehr als unverletzliches Gesetz in Europa ab. Das ändert aber nichts daran, dass die genauso legitime Urheberrechtsfrage nicht bis in die Ewigkeit eine Grauzone in Europa bleiben kann, zu der jeder Staat seine eigenen Gesetze erlässt. Wenn die Autoren selbst frei wählen wollen, welche Art von Vertriebsrecht sie auf ihre Werke anwenden wollen, je nachdem, ob sie deren Verbreitung oder potentielle Gewinne bevorzugen, müssen den Internetbenutzern entsprechende Zahlungsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Dabei gibt es verschiedene Systeme wie Pauschallizenzen oder Pro-Stück-Zahlungen für Downloads.

Wie kürzlich Frédéric Filloux, Chef der viel gelesenen Monday Note hervorhob, können Modelle, die einen gerechten Preis, leichten Kauf und eine große, aktuelle Auswahl vereinen, mit illegalen Downloads konkurrieren. Diese werden deshalb nicht verschwinden, doch vielleicht werden sie dann nicht mehr als tödliche Gefahr für Kreativität angesehen.

Aus dem Französischen von Signe Desbonnets

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