Herausforderung China

Veröffentlicht am 12 Oktober 2010 um 09:13

Eigentlich sollte der Europa-Asien-Gipfelvom 4. und 5. Oktober die Zusammenarbeit bei der gemeinsamen Bewältigung der globalen Wirtschaftskrise stärken. Unter der Hand war es allen Politikern klar, dass die EU versuchen würde, China zu einer Aufwertung des Yuan zu bewegen. Daraus ist nichts geworden. Chinas Regierungschef Wen Jiabao gab seinen Gesprächspartnern von vornherein zu verstehen, dass China sich nicht unter Druck setzen lassen werde. Inzwischen verweisen immer mehr Experten auf das steigende Ungleichgewicht der bilateralen Beziehungen, verkörpert von einem Handelsdefizit der EU in Höhe von 130 Milliarden Euro.

„Jahrelang verfolgte die Union gegenüber Peking eine bedingungslose Politik der Attraktivität, die sich heute als ein wahres Fiasko herausstellt: Die chinesischen Investoren können in Europa jubeln, und die Europäer werden immer häufiger aus China verdrängt“, bedauert inGazeta Wyborcza François Godement, Experte vom European Council on Foreign Relations.

In der Tat haben in der letzten Zeit die chinesischen Unternehmen begonnen, durch die Hintertür in Europa Fuß zu fassen. Sie warfen dem hochverschuldeten Griechenland mit dem Versprechen massiver Investitionen einen Rettungsring zu (unter anderem mit der Sanierung der staatlichen Eisenbahn) und kauften zudem für drei Milliarden Euro den Frachthafen von Piräus auf. Und im potentiellen Beitrittsland Serbien werden die Chinesen eine Donaubrücke bauen.

Was ist zu tun? Die Union kann dem Beispiel der USA folgen und die bestehenden Zölle auf chinesische Produkte erhöhen oder neue Zölle erheben. Sie kann auch weiterhin darauf drängen, damit China seine Währung aufwertet. Ein vergeblicher Kampf, meint der amerikanischePolitologe Fareed Zakaria in Time. Selbst eine Aufwertung des Yuan um 20 Prozent würde die amerikanischen oder europäischen Unternehmen nicht wettbewerbsfähiger machen. Die asiatischen Billigprodukte würden damit nicht aus den Regalen unserer Geschäfte verschwinden. Allenfalls würden T-Shirts aus China durch Produkte aus Vietnam oder Bangladesch ersetzt werden.

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Zakaria betont hingegen noch ein anderes Problem. Ein schlimmeres. Es handelt sich dabei um die Wettbewerbsfähigkeit in Bildung und wissensbasierter Wirtschaft. In den vergangenen zehn Jahren haben sich die Bildungsausgaben in China verdreifacht und die Anzahl der Universitäten und Studenten verfünffacht. Schenkt man den Berechnungen des Nobelpreisträgers Robert Fogel glauben, dass ein Arbeitnehmer mit Hochschulabschluss dreimal produktiver ist als ein Arbeiter mit Grundausbildung, kann man sich leicht vorstellen, dass die derzeitigen wirtschaftlichen Probleme mit China nur ein Vorgeschmack auf die wahre Schlacht sind, die uns in den kommenden Jahren erwartet. (js)

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