Ankara gegen Assad unterstützen

Veröffentlicht am 17 Juni 2011 um 14:45

Keine Flugstunde von der EU entfernt bekriegt ein Tyrann seit vier Monaten sein Volk. Hunderte von Zivilisten werden von den Truppen des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad verhaftet, gefoltert, vergewaltigt, hingerichtet und mit Bomben beworfen. Und der Rest der Welt schweigt mehr oder weniger dazu, wenn es ihm nicht sowieso egal ist. Europa hat zwar Sanktionen auferlegt – im Wesentlichen Reisebeschränkungen für die syrischen Spitzenpolitiker, Restriktion des Waffenhandels und Abbruch der wirtschaftlichen Unterstützung –, jedoch ohne jegliche Wirkung. Einige wenige Staatschefs, so der Brite David Cameron, haben von der syrischen Regierung verlangt, sie solle die Gewalttaten einstellen, aber sie haben darauf verzichtet, diese Forderungen mit tatsächlichen Drohungen zu versehen. Und was die Intellektuellen betrifft, so zeigt ihr Aufruf an die EU für "das Ende des Massakers in Syrien“ bis jetzt noch nicht so viel Einfluss wie die Mobilisierung für Libyen.

Dabei sind die Bedingungen für einen Einsatz in Syrien weit stichhaltiger als zu dem Zeitpunkt, als man sich die Frage bezüglich Libyens stellte: Es geht nicht einmal nur mehr darum, eine Bevölkerung – wie damals die der Rebellenstadt Bengasi – vor einer angedrohten Gewalt zu schützen, was ausgereicht hatte, damit die UNO für die Angriffe gegen Libyen grünes Licht gab. Hier ist die Gewalt schon seit einiger Zeit in Anwendung.

Warum also reagiert die EU nicht stärker? Liegt es daran, dass es keine Bilder gibt, die Emotionen und Empörung auslösen und somit die Reaktionen anfachen können? Vielleicht. Es ist auch kein Zufall, dass das Land, das mit der größten Entschiedenheit – und Glaubwürdigkeit – den Stopp der Gewalt sowie demokratische Reformen verlangt, die Türkei ist. Denn an der türkischen Grenze drängen sich Tausende von syrischen Flüchtlingen, die aus den Kampfgebieten fliehen und nun dort ihre Augenzeugenberichte abgeben. Berichte, die ebenso rar wie kostbar sind, da das Regime in Damaskus der Presse und den unabhängigen Beobachtern jeglichen Zugang zum Land verwehrt.

Doch es herrscht auch das Bewusstsein, dass wir einfach nicht genügend Mittel haben, um Assad so weit unter Druck zu setzen, dass er die Repression beendet. Von seinem potenziellen Ausscheiden aus der Regierung ist schon gar keine Rede: Es gibt keinen diplomatischen Konsens (Peking und Moskau sind gegen einen Einsatz), also kann der UN-Sicherheitsrat keinerlei Resolutionen in diesem Sinne verabschieden. Und demnach ist auch kein libysches Szenario abzusehen. Der Weg der wirtschaftlichen Sanktionen – die EU ist der größte Handelspartner und der größte Geldgeber für Syrien – hat seine Grenzen gezeigt. Bleibt noch die diplomatische Schiene. Die EU scheint alleine nicht genug Format zu haben, also sollte mit etwas mehr Überzeugung Ankaras Initiativen unterstützen. In einer Region, in der die EU nur schwer einen Platz findet, ist die Türkei ein unentbehrlicher Verbündeter.

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