Zur Verteidigung der Technokraten

Veröffentlicht am 2 September 2011 um 13:37

Was mischt sich Brüssel schon wieder ein? Nachdem es die Krümmung von Gurken und den Krautwuchs von Karotten reglementiert und aufgelistet hat, was auf Kosmetikverpackungen alles draufstehen muss, zwingt es uns nun dazu, auf unsere guten alten 60 Watt-Glühlampen mit Glühfaden zu verzichten (die 100-Watt-Birnen sind bereits seit zwei Jahren, die 75-Watt-Birnen seit letztem Jahr gesetzeswidrig). Und nun droht es auch noch unsere zu viel Strom fressenden Kaffeemaschinen zu verbieten.

In einer Zeit, in der Europa schwankt, die Rezession erneut an der Tür klopft, die Arbeitslosenzahlen explodieren, die Not der jungen Menschen immer unerträglicher wird, und der Mittelmeerraum in voller Aufruhr ist, brachte dies das Fass zum überlaufen: Mit viel Ironie kritisiert ein Teil der europäischen Presse die Eurokratie und ihre Leidenschaft, die kleinste Kleinigkeit unseres Alltags reglementieren zu wollen, ohne uns nach unserer Meinung zu fragen oder den Auftrag dafür erhalten zu haben.

Einige Aspekte der uns umgebenden Welt aufeinander abzustimmen: auch das ist die Aufgabe der 33.000 „Eurokraten“ in Brüssel. (Im Vergleich dazu sollten wir uns bewusst machen, dass die Stadt Paris allein 40.000 Personen beschäftigt.) Und es waren sehr wohl die Mitgliedsstaaten, die das entschieden haben. Schließlich waren sie es, die dem Vertrag zugestimmt und die Zuständigkeiten festgelegten haben. Wie in den Landesministerien entwerfen Brüssels Technokraten diejenigen Maßnahmen, die anschließend von der Exekutive (der Kommission) angenommen und von den Volksvertretern (dem Rat und/oder dem Parlament) verabschiedet werden. Wie der ein oder andere bereits bestätigte: Dieser Prozess ist nicht weniger demokratisch als derjenige, der auf nationaler Ebene abläuft.

Dass die EU in Sachen Kommunikation noch unbeholfen ist – sei es formal oder das Timing betreffend – haben wir bereits begriffen. Ihre Meldungen werden als kalt und gebieterisch wahrgenommen. Und oft hat man den Eindruck, dass die Personen, die sie verfasst haben (angefangen bei den Kommissaren), uns alles andere als vertraut sind und nicht einmal unsere Sprache sprechen.

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Sollten sie vielleicht pädagogischer vorgehen? Sicherlich. Ist mehr Transparenz bei der Ausarbeitung gemeinschaftlicher Maßnahmen und ihrer Durchsetzung wünschenswert? Zweifellos. Dennoch sollten wir aufhören, der EU vorzuwerfen, genau das zu tun, wofür sie unsere so geschätzten Vertreter geschaffen haben.

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