Angst vor dem Nazi-Terror

Veröffentlicht am 14 November 2011 um 13:41

Treibt nach der Roten Armee Fraktion eine “Braune Armee Fraktion” in Deutschland ihr Unwesen. So fragt Der Spiegel diesen Montag. Mit der Explosion eines Wohnhauses in Zwickau vergangene Woche erfuhr das Land von der Existenz der Neonazi-Gruppe “Nationalsozialistischer Untergrund” (NSU). Der Tod von acht türkischen und einem griechischen Einwanderer, eines Polizisten, ein Anschlag in Köln (2004) und mehrere Dutzend Banküberfälle sollen auf ihr Konto gehen.

Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, die sich nach einem missglückten Banküberfall in der vergangenen Woche das Leben nahmen, sowie Beate Z. waren offenbar unerkannt vierzehn Jahre lang im Untergrund aktiv. Der politische Hintergrund ist auf einer am Wochenende aufgetauchten DVD dokumentiert: “Solange sich keine grundlegenden Änderungen in der Politik, Presse und Meinungsfreiheit vollziehen, werden die Aktivitäten weitergeführt“. In den sichtlich verstörten deutschen Medien ergibt das “Zusammensetzten aller Puzzleteile nun – plötzlich – Sinn”.

Die höchste Alarmstufe schrillt in der TAZ, die 1979 in der Folgezeit des deutschen Herbstes und den RAF-Morden auf den Markt kam. Sie schreibt in Hinblick auf die These, dass die drei Attentäter vom Verfassungsschutz gedeckt wurden oder selbst V-Leute des Nachrichtendienstes waren:

Man will sich das gar nicht ausmalen: Von staatlichen Stellen ermöglichter Nazi-Terror, in Deutschland, sechs Jahrzehnte nach dem Ende der NS-Diktatur.

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Polizei, Staatsschutz und Staatsanwaltschaft hätten rassistische Motive überwiegend ausgeschlossen, heißt es auch in der Süddeutschen Zeitung. Als Terrorakte nicht erkannt Verbrechen von rechts – eine leidige Tradition in Deutschland…

Jahrzehntelang war es in Deutschland so: Linksextremisten galten als intelligent und gefährlich, Rechtsextremisten als blöd und daher ungefährlich.

Die Frankfurter Allgemeine fragt ebenfalls, ob es nicht ein fataler Irrtum war, die Ansätze von Rechtsterrorismus in Deutschland “als provinzidiotisches Gegenstück zum alles überragenden islamistischen Terror zu behandeln.”

Es ist Verharmlosung und Aufbauschung zugleich, die sogenannten Bombenleger von Jena mit der 'Roten Armee Fraktion' zu vergleichen. Verharmlosung deshalb, weil es der RAF nie gelungen ist, über Jahre so unerkannt zu operieren. Aufbauschung ist es, weil […] niemand [den rechtsextremistischen Terror] als solchen wahrnehmen konnte, weil zum Terrorismus gemeinhin nicht nur die Tat, sondern auch das öffentlichkeitswirksame Bekenntnis dazu gehört. Das fehlt aber im Falle der 'Zwickauer Zelle'.

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