Zwei Milliarden für Graphen und Hirnsimulator

Veröffentlicht am 29 Januar 2013 um 15:35

„Schweizer Forschung im Schaufenster Europas“ jubelt Le Temps. Am Montag hat die EU-Kommission das Human Brain Project der École Polytechnique Fédérale von Lausanne (EPFL) offiziell als einen der zwei Finalisten des FET Flagship-Programms zur Förderung von Großprojekten im Bereich „Future and Emerging Technologies“ im Rahmen des Programms Europe 2020 ausgewählt:

Die EU-Kommissarin für die Digitale Agenda Neelie Kroes hat die beiden Finalisten des mit einer Milliarde Euro dotierten Wettbewerbs „Flagships“ ausgerufen: Graphene, eine schwedische Initiative, die ein neues, revolutionäres Leitermaterial („Graphen“) entwickeln will, und das Human Brain Project (HBP), dessen Wiege in der EPFL liegt und das versucht, an Supercomputern die Arbeitsweise des menschlichen Hirns zu simulieren.

„Das Entwickeln von Anwendungen für die Bereiche Gesellschaft und Gesundheit scheint das zu sein, was Europa von den Flagships erwartet, erklärt Le Monde. Doch, so schreibt die Tageszeitung „zahlreiche Philosophen wie der Psychiater und Psychoanalytiker Patrick Juignet kritisieren diesen Ansatz, der „sich in eine umfassendere, strikt materialistische Ideologie einschreibt, die versucht, den Menschen zu mechanisieren. [...]. Die Mensch-Maschine objektiviert den Menschen und beraubt ihn seiner menschlichen Spezifizität.“*

El Periódico aus Madrid betont, dass es sich, um die „größte Forschungsinvestition in der Geschichte Europas“ handelt. Die Tageszeitung notiert, dass —

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... zwar die meisten Skeptiker meinen, es sei eine monumentale Investition ohne Erfolgsgarantie, doch die EU-Kommission erwidert, dass Europa Mut zeigen müsse, um in zwei Bereichen, die großes Wachstum versprechen, zu punkten.

Vom Graphene-Flagship, schreibt Il Sole-24 Ore, verspreche sich Brüssel „das Wundermaterial des 21. Jahrhunderts, wie es Kunststoff für das 20. Jahrhundert war.“ Die außerordentlichen Eigenschaften des neuen Materials finden in vielen Bereichen Anwendung: in der Elektronik, wo es Silikon ersetzen kann, in den Bereichen Erneuerbare Energien, bei der Entsalzung von Meerwasser, in der Biologie-Forschung und so weiter. „Die Initiative kommt spät, aber lieber spät als gar nicht“, kommentiert die Tageszeitung und betont:

In letzten fünf Jahren sind 2204 Lizenzen im Zusammenhang mit Graphen an chinesische Unternehmen oder Universitäten vergeben worden [...] 1754 in die USA, 1160 nach Südkorea und etwas weniger als 500 in Europa. So gesehen hat die EU Recht, eine Milliarde Euro an das gelobte Land der Wissenschaft zu vergeben.

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