Sparen nach deutsch-britischer Art

Veröffentlicht am 11 Februar 2013 um 15:33

Keine Ambitionen. Neue Kräfteverhältnisse. — Das sind laut Europas Presse die zwei entscheidenden Lehren aus den Verhandlungen um den EU-Haushalt der letzten Woche.

Für die Dziennik Gazeta Prawna ist das Ergebnis des letzten EU-Gipfels der Beweis für „eine erhebliche Verlagerung der Machtverhältnisse in Europa“. Denn Frankreich, früher das einflussreichste Land der Union, stehe jetzt „in der Defensive“. Die Tageszeitung betont, dass diese Tendenz vollkommen neu ist:

Die Union bewegt sich auf eine Freihandelszone zu, von der die Briten träumen und die von den Deutschen unterstützt wird, anstatt einer „von Solidarität getriebenen Staatenbundstruktur“, die sich Paris wünscht. [...] Überraschenderweise wurde zwischen Frankreich, Italien, Spanien und Polen ein relativ exotisches Bündnis zur Verteidigung der Finanztransfers gebildet, [was zu einem] Konflikt zwischen dem reichen Norden der EU und dem armen Süden und Osten [führte...]. Es besteht jedoch kein Zweifel daran, dass Deutschland durch die auferlegten Ausgabenkürzungen seine wirtschaftliche Stärke demonstriert hat. Berlins Diktat wird noch strenger sein, während sich die üppigen Überweisungen aus Brüssel als lediglich eine nette Erinnerung herausstellen könnten, falls der Frankreich-Spanien-Italien-Polen-Club seine Wettbewerbsfähigkeit nicht verbessern kann.

In Deutschland findet Die Welt, dass „in diesem Kompromiss zuviel altes Europa“ steckt, und prangert jene an, die glauben, es gäbe „ein europäisches Menschenrecht, Geldflüsse von anderswo zu bekommen“. Sie rät der deutschen Regierung zudem, ihre historische Partnerschaft mit Frankreich zu lockern:

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Wie selten zuvor hat sich Deutschland so als gewichtiger Pol des europäischen Machtgefüges etabliert, das durch seine Offenheit nach allen Seiten am ehesten anschlussfähig ist. Tatsächlich überschneiden sich die deutschen Interessen sehr viel häufiger mit London als mit Paris.

Im Gegensatz dazu schreibt El País, dass „Europa sich darauf versteift, eine Lungenentzündung wie eine einfache Erkältung zu behandeln, [...] und ein rachitisches Abkommen bekommt“, das „die Sparpolitik – und somit die Kürzungen – für das nächste Jahrzehnt festlegt“:

Nach den ersten fünf Jahren der Krise sind die europäischen Haushalte eine Art Kompass für das europäische Projekt. Die EU scheint geistesabwesend, sie geht vom alten zum neuen Regime über, ohne dass die alte Ordnung völlig verschwunden und die neue definitiv eingeführt wäre. Inmitten dieses Stillstands verstärkt Berlin (mit der Unterstützung Londons) seine Macht und es ist ein Rückzug zum Nationalen oder zum Zwischenstaatlichen festzustellen.

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