Europäische Schuldenkrise

Keine Demokratie ohne eine politische Union

Veröffentlicht am 25 März 2015 um 05:01

Moderate müssen akzeptieren, dass die Europäische Union in einer Weise geschaffen ist, die Frankreich und Deutschland erlaubt hat, Griechenland in Schwierigkeiten zu bringen um eigene Interessen zu wahren, argumentiert der italienische Wirtschaftswissenschaftler Luigi Zingales in Il Sole 24 Ore. Dies nicht zu tun stärkt Radikale wie Syriza: „In den Forderungen gegen Europa hat Syriza recht. Europa hat Griechenland schlecht behandelt; und zwar weil Deutschland und Frankreich ihre eigenen Interessen auf Griechenlands Kosten geschützt haben.“

Zingales ist jedoch kein Unterstützer Syrizas und argumentiert, dass Griechenland über seinen Verhältnissen gelebt hat bevor ein Abkommen mit der EU, der Europäischen Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds gefunden wurde. Als es jedoch darum ging, das immer größer werdende Defizit in Angriff zu nehmen, hatte Griechenland mit der EU mehr Schwierigkeiten als es mit dem IWF alleine gehabt hätte.

Der IWF hätte Griechenland einen Sparplan und den Kreditgebern einen 30%-Schuldenschnitt auferlegt und – um die Anpassung zu erleichtern – Geld verliehen. Was ist der Unterschied zwischen diesem Plan und jenem, für den sich Europa entschieden hat? Im europäischen Plan gab es Kredite und Sparmaßnahmen. Es fehlte jedoch der 30%-Schuldenschnitt, der die Schuldenquote auf 100% des BIP reduziert hätte. Es gab einen Schuldenschnitt – dieser kam jedoch zwei Jahre zu spät und traf nur ein paar übriggebliebene private Kreditgeber, da die Mehrheit bereits durch Verkäufe an die EZB oder durch Rückzahlungen mit IWF-Finanzierung von fälligen Krediten gerettet wurde. Die Restrukturierung von IMF-Krediten ist viel schwieriger als jene privater Kredite. Die Verzögerung machte die Situation daher viel schlimmer.

Zingales zitiert einige Banker, die seine Einschätzung teilen und schreibt, dass dieser Plan das Ergebnis der Bemühungen Frankreichs und Deutschlands war, die Interessen ihrer Banken zu schützen. Dies geschah nicht, weil Kanzlerin Angela Merkel „böse“ ist, sondern weil sie „eine gerissene Politikerin ist, der es gelingt, die Interessen ihres Landes auf Kosten anderer zu fördern.“

Das Beste vom europäischen Journalismus jeden Donnerstag in Ihrem Posteingang!

Für Zingales bedeutet das Fehlen einer politischen Union trotz Währungsunion, dass „wirtschaftliche Entscheidungen nicht demokratisch getroffen werden können“ und dass größere und stärkere Länder einen unfairen und undemokratischen Einfluss besitzen –

Es ist Zeit, dass selbst die Moderaten dieses Problem aufzeigen. Wenn wir der radikalen Linken das Monopol der Wahrheit lassen, darf es keine Überraschung sein, dass sie Wahlen gewinnt – zumindest in Südeuropa. Es ist unsere Schuld, dass wir schweigend – oder schlimmer, mit Zustimmung – eine große Ungerechtigkeit unterstützt haben.

Kategorien
Tags
Interessiert an diesem Artikel? Wir sind sehr erfreut! Es ist frei zugänglich, weil wir glauben, dass das Recht auf freie und unabhängige Information für die Demokratie unentbehrlich ist. Allerdings gibt es für dieses Recht keine Garantie für die Ewigkeit. Und Unabhängigkeit hat ihren Preis. Wir brauchen Ihre Unterstützung, um weiterhin unabhängige und mehrsprachige Nachrichten für alle Europäer veröffentlichen zu können. Entdecken Sie unsere drei Abonnementangebote und ihre exklusiven Vorteile und werden Sie noch heute Mitglied unserer Gemeinschaft!

Sie sind ein Medienunternehmen, eine firma oder eine Organisation ... Endecken Sie unsere maßgeschneiderten Redaktions- und Übersetzungsdienste.

Unterstützen Sie den unabhängigen europäischen Journalismus

Die europäische Demokratie braucht unabhängige Medien. Voxeurop braucht Sie. Treten Sie unserer Gemeinschaft bei!