Im Widerspruch zu Europas Werten?

Veröffentlicht am 19 April 2011 um 13:01

"Gott und Vaterland, magyarischer Nationalstolz, der Staat und nicht die Republik als Quintessenz, weniger Rechte für Verfassungsrichter und mehr für die Regierung. Das klingt nach dem Autoritarismus der Zwanziger- und Dreißigerjahre, doch handelt es sich um die neue Verfassung eines NATO-Mitglieds, welches derzeit die Ratspräsidentschaft der europäischen Union innehat.“ Einen Tag nach der Verabschiedung der neuen Verfassung durch das ungarische Parlament zeigt sich La Reppublica alarmiert. "Und die EU schweigt“, bedauert die Tageszeitung aus Rom und urteilt, dass sich Europa von seinen rechtsstaatlichen Werten weg bewegt“, indem es Ministerpräsident Viktor Orbán walten lässt.

La Reppublica stellt fest, dass die Verfassung "Glauben und die Verehrung der heiligen Stephanskrone, dem Nationalsymbol, welches von den nationalsozialistischen Regiles Horthys und Szâlasis missbraucht wurde“, betone, aber "Stillschweigen über diese mörderische Zeit“ bewahre. Der Nationalstolz wird zum "Grundwert“ erhoben, sowie "Familie und Kirche, und Schutz des ungeborenen Lebens. Kein Wort über die Rechte von Minderheiten, Juden, Roma und Homosexuelle.“

"Die Vision, auserwählt zu sein unter den Völkern Europas, hat stets Unheil über den Kontinent gebracht“, kommentiert die Süddeutsche Zeitung und spricht von der "Angst vor Ungarns Arroganz“. Die linksliberale Tageszeitung beklagt, dass der Text "Ungarn pathetisch als einmalig unter den Völkern Mitteleuropas inszeniert.“ Die Verfassung propagiere, "Ungarn vertrete im Grunde auch alle Magyaren, also auch die drei Millionen Volksgenossen in den Nachbarländern.“ Es läge bei der EU, auf "die Demokratisierung der ungarischen Verfassung zu achten“ und zu verhindern, dass "nationales Pathos Mitteleuropa wie Gift durchtränkt“.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hingegen urteilt, dass trotz aller Schönheitsfehler die Verfassung Viktor Orbán "die Grundlage für effizienteres Regieren“ biete. Seit der Wende, schreibt die konservative Tageszeitung, habe sich Ungarn vorgenommen, die 1989 nur demokratischen Verhältnissen angepasste stalinistische Verfassung gänzlich zu ersetzen. "Für die große Mehrheit der Ungarn im Lande sind das "Nationale Glaubensbekenntnis“ und die "heilige Stephanskrone“ ebenso verfassungswürdige Werte wie die ausdrückliche Berufung auf Gott und Christentum sowie das Herausheben von Ehe und Familie als Grundbausteinen von Gesellschaft und Staat“, notiert die konservative Tageszeitung. Für das Blatt sind "nirgendwo Anhaltspunkte vorhanden, die sich nicht in Übereinstimmung mit den europäischen Grundwerten befänden’, wie die Gegner Orbáns behaupten.“

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