Gefährliches Spiel der Ratingagenturen

Wenige Tage vor dem für die Eurozone “entscheidenden” EU-Gipfel stuften die Ratingagenturen Spaniens Kreditwürdigkeit herab und drohten Frankreich und Italiens Banken mit der Senkung ihrer Bonitätsnoten. Ein letzter Angriff, obwohl Brüssel sich um Reaktionen bemüht?, fragt sich die europäische Presse.

Veröffentlicht am 19 Oktober 2011 um 15:14

Mit dem Titel “Moody’s nimmt Frankreich unter die Lupe” kommentiert La Tribune die Entscheidung der amerikanischen Ratingagentur vom Montag, 16. Oktober. In den kommenden drei Monaten will sie überprüfen, ob Frankreich auch in Zukunft die “Bestnote” AAA behalten kann. Von den sechs Ländern mit der Spitzenbonitätsnote hat Frankreich die schlechteste Finanzbilanz, betonte die Agentur in ihrer Erklärung. Mit dieser Drohung wird “der Druck auf den für die Zukunft der Eurozone ohnehin entscheidenden Gipfel nur noch mehr erhöht”, meint La Tribune. Wenn Frankreich tatsächlich sein AAA verlieren sollte, dann drohe

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dem Europäischen Rettungsfonds (EFSF) […], der größtenteils auf Frankreichs und Deutschlands Finanzstabilität beruht, eine Katastrophe. Paris bürgt für mehr als 20 Prozent des Fonds, der den in Schwierigkeiten steckenden Ländern der Eurozone helfen soll. – La Tribune

Moody’s Drohung kommt einer Erpressung gleich, meint Mediapart. Die Agentur erinnert die Politiker damit daran, “dass sie nicht einfach den von den Bankiers festgelegten Kurs wechseln; und vor allem nicht widersprüchliche Forderungen wie gleichzeitige Spar- und Wachstumsmaßnahmen stellen dürfen”. Es ist ein “gefährliches Spiel”, das die Finanzwelt mit ihrer Erpressung da mit Frankreich treibe, heißt es auf der Internetseite:

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Mit dieser öffentlichen Drohung verleitet Moody’s die Spekulanten zum Angriff, wodurch sich die Prophezeiungen wie von selbst erfüllen, und Frankreich in eine unkontrollierte Spirale geraten könnte. – Mediapart

Während Moody’s Frankreich nur drohte, griff die Ratingagentur im Fall Spaniens hart durch. Die Herabstufung der spanischen Kreditwürdigkeit um zwei Stufen (von Aa2 auf A1) vom Vortag kommentiertEl País mit den Worten: “Das Trio ist nun vollzählig”. Nach Fitch und Standard & Poor’s hat sich nun auch Moody’s für diese Note entschieden. “Aber vielleicht steht uns das Schlimmste noch bevor”, warnt die spanische Tageszeitung. “Wie alle anderen [Agenturen] hat auch Moody’s negative Prognosen gestellt und hält die Tür für weitere Herabstufungen offen.” Spanien ist zu anfällig für die Schuldenkrise der Eurozone. Daher gibt es für Moody’s keine “glaubwürdige Lösung”. Allerdings hängt vom EU-Gipfel am 23. Oktober ab, ob sich Spanien trotz der Herabstufung auf den Märkten behaupten kann. Bei diesem Gipfel

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könnte entschieden werden, ob der Rettungsfonds für einen Teil der Schulden Spaniens und Italiens bürgt. – Mediapart

In Italien sind nunmehr die Banken zur Zielscheibe der Ratingagenturen geworden. Ein Monat nach der Herabstufung der Kreditwürdigkeit des Landes senkte Standard & Poor’s diejenige der 24 italienischen Banken, berichtet La Repubblica. In ihrer Erklärung fordert die amerikanische Agentur die Regierung zu den dringend notwendigen Strukturreformen auf, um das Wachstum wieder anzukurbeln. Nur dann könne eine weitere Herabstufung der Bonität vermieden werden. Am gleichen Tag senkte Fitch die Note von Fiat, dessen Verkaufszahlen aufgrund der finanziell prekären Situation seines amerikanischen Partners Chryslers immer weiter zurückgehen, wie in La Repubblica zu lesen ist.

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La Repubblica

Angesichts der Angriffe der Märkte auf die immer anfälligeren Staaten regt sich nun auch Brüssel. Um der so gefürchteten Spekulation mit Staatsschulden entgegenzuwirken entschied das Europäische Parlament am Abend des 18. Oktobers, den Verkauf von ungedeckten Kreditausfallversicherungen (CDS) zu verbieten, berichtet Jean Quatremer in seinem Blog. Für den Libération-Korrespondent in Brüssel

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sind die Märkte mit ihrem Angriff der Staaten zu weit gegangen. Nun hat die Union entschieden, ihnen die Hände zu binden. Das EU-Parlament hat es tatsächlich geschafft, die Staaten von seinem Vorschlag zu überzeugen, eines der beliebtesten Instrumente der Spekulanten zu verbieten, das insbesondere Griechenland im ersten Quartal 2010 zum Verhängnis wurde. Diese Einigung war alles andere als einfach. Schließlich reagieren die Staaten auf den Druck ihres Finanzsektors besonders empfindlich, zumal dieser so sehr auf diese Instrumente setzt. Aber offensichtlich hat die immer schlechtere Lage der Eurozone und der Fakt, dass nun auch die Banken betroffen sind, die europäischen Hauptstädte davon überzeugen können, dass es an der Zeit ist, hart durchzugreifen. – Coulisses de Bruxelles

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