Deutschland-Frankreich

Merkel kämpft um ihre Vernunftehe

80 Tage vor der ersten Runde der französischen Präsidentschaftswahlen gibt Angela Merkel ihrem wichtigsten Verbündeten in Europa, dem französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy, Wahlkampfhilfe. Ein riskantes Unterfangen, meint die Presse auf beiden Seiten des Rheins.

Veröffentlicht am 7 Februar 2012 um 12:51

Nach dem gemeinsamen deutsch-französischen Ministerrat vom 6. Februar, sicherte Bundeskanzlerin Angela Merkel während eines TV-Interviews, das gleichzeitig auf dem französischen Sender France 2 und dem deutschen ZDF ausgestrahlt wurde, dem französischen Staatspräsidenten ihre Unterstützung im kommenden Wahlkampf zu, bei welchem er noch nicht offiziell Kandidat auf seine eigene Nachfolge ist. Ein Engagement, das es in Europa so noch nicht gegeben hat und von der Presse in Frankreich und Deutschland ausgiebig kommentiert wird.

Für Libérationgibt die Bundeskanzlerin Sarkozys “Pressesprecherin” und macht damit dessen Kandidatur auf die Wiederwahl “offiziell”. Merkels Rolle, meint das linksliberale Blatt, sei für Sarkozy nicht ohne Risiko:

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Frankreichs wirtschaftliche Unterlegenheit gegenüber dem Partner könnte sich verstärken und es könnte der Eindruck entstehen, dass der kommende Wahlkampf von Sarkozy unter deutschem Einfluss stehe.

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Ein Einfluss, den Le Figaro nicht abstreitet, doch meint das Blatt:

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Das bekannte “deutsche Modell” aus Wettbewerbsfähigkeit und Haushaltsdisziplin hat sich auf dem den Stürmen der Globalisierung ausgesetzten Kontinent als das einzig überlebensfähige erwiesen. Es steht Frankreich frei, es zu imitieren oder zu verwerfen.

Le Monde erklärt seinerseits “Warum Merkel für Sarkozy Wahlkampf macht”, den die Umfragen geschlagen geben:

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Sarkozy und Merkel haben beide ein Interesse daran, zu zeigen, dass ihr Team noch funktioniert. Der Erste will glauben machen, dass er in Europa den Ton angibt, und die Zweite genau das Gegenteil.

In Deutschland meint die Süddeutsche Zeitung, dass sich “Mut in Übermut verwandelt” und hinterfragt die Gründe der Bundeskanzlerin:

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Der 6. Februar 2012 wird womöglich als der Tag in Erinnerung bleiben, an dem eine Verzweifelte nach dem Strohhalm griff. Nimmt Merkel die Ankündigungen des Sozialisten Hollande ernst [der den EU-Haushaltsvertrag neu verhandeln will], so muss sie um ihr europapolitisches Werk fürchten. Der Sozialist will nicht sparen, sondern die Konjunktur anwerfen.[...] Die Kanzlerin kämpft deshalb in Frankreich nicht wirklich für Sarkozy, sondern für ihre eigene Politik. So betrachtet, wirkt ihr Spiel waghalsig, aber nicht irrational.

Die konservative Die Welt macht kein Geheimnis daraus, dass sie den Kandidaten Hollande fürchtet und jubelt, dass Merkel und Sarkozy “endlich in Europa vereint” seien:

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Obwohl nur die 45 Millionen französischen Wahlberechtigten aufgerufen sind, geht diese Wahl uns alle in Europa an. [...] Der Ausgang der Wahlen könnte Europa um Jahre und Jahrzehnte zurückwerfen.

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