Serbien-Kosovo
Die EU-Chefdiplomatin Catherine Ashton zwischen dem kosovarischen Premierminister Hashim Thaçi (links) und dem serbischen Ministerpräsidenten Ivica Dačić (rechts).

Nur Gewinner

Sowohl in Belgrad als auch in Pristina ist die Presse ein und derselben Meinung: Der Text zur Normalisierung der Beziehungen zwischen Serbien und seiner ehemaligen Provinz, der am 19. April unter EU-Federführung zustande kam, ist ein historisches Schriftstück.

Published on 22 April 2013 at 15:09
Die EU-Chefdiplomatin Catherine Ashton zwischen dem kosovarischen Premierminister Hashim Thaçi (links) und dem serbischen Ministerpräsidenten Ivica Dačić (rechts).

Mit dieser Einigung wird ein EU-Beitritt Serbiens in Aussicht gestellt, der Kosovo tatsächlich von Belgrad anerkannt, und ein diplomatischer Erfolg der Union besiegelt, deren Auswärtiger Dienst bisher eher durch Unsichtbarkeit glänzte.

Mit den Worten „Habemus pactum“ betitelt Danas triumphierend ihre Wochenendausgabe. „Ende gut, alles gut“, schreibt die Zeitung und betont wie wichtig diese Brüsseler Abmachung ist, auf die man sich nach monatelangen Verhandlungen einigte. Dank ihr

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nehmen die Streitigkeiten im Kosovo ein Ende und eröffnen sich der erschöpften serbischen Gesellschaft ganz neue Perspektiven.

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Während die nationalistische Presse Serbiens, allen voran Nase Novine, eine „Kapitulation“ Serbiens anprangert, findet Politika vielmehr, dass sich Belgrad mit der Unterzeichnung der Vereinbarung mit Pristina „für die Zukunft entschieden hat“. In den Augen der Belgrader Tageszeitung

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muss Serbien erst noch genau auflisten, was es gewonnen und was es verloren hat. Ganz gewiss aber hat es geschafft, die Serie der Fehlschläge zu durchbrechen, die mit dem Unverständnis der Welt, aber auch seiner näheren Umwelt angefangen hatte. Hinzukam die Leugnung der Wirklichkeit und die Erzeugung einer sagenhaften Vergangenheit. Und obendrein wurden Kompromisse abgelehnt, so dass es zu immer mehr großen oder kleinen „Kapitulationen“ kam. [...] Von nun an darf Serbien sich aber ganz legal unter dem wohlwollenden Blick der internationalen Gemeinschaft um die Gesundheit, Bildung und wirtschaftliche Entwicklung der Serben kümmern, die im Kosovo leben.

Für die Zeitung Blic haben Ministerpräsident Ivica Dacić und sein Stellvertreter, Aleksandar Vucić, „den einzig richtigen Weg“ gewählt: Den einzig möglichen, der „Serbien in die EU führen wird“. Das hat [Serbien] auch der Hohen Vertreterin der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Catherine Ashton, zu verdanken, die „endlich die lange Serie der Niederlagen der serbischen Regierung beendete“ und „den europäischen Integrationsprozess so wieder [in den Mittelpunkt rückte]“. Allerdings betont die Zeitung auch, dass es Dacić und Vucić

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gelang, die größten Gegner der EU in der Regierungskoalition – allen voran Staatspräsident Tomislav Nikolić – davon zu überzeugen, dass die Vereinbarung mit dem Kosovo keine Niederlage darstelle. Recht zügig gelang es ihnen, ihren Standpunkt als Sozialisten und erprobte Nationalisten aufzugeben, um Pro-Europäer zu werden. Damit haben sie zwar hart gepokert, letztendlich aber den Jackpot geknackt.

Die in Brüssel unterzeichnete Vereinbarung ist auch ein Erfolg für die Europäische Union, und ganz besonders für Catherine Ashton, schreibt Jutarnji List. Für die Zeitung aus Zagreb ist Ashton

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das gelungen, woran ihre Amtsvorgänger scheiterten. Und das obwohl sie zu Beginn ihrer Amtszeit nicht einmal wusste, wie Serbiens Präsident Nikolić aussah. [Ashton schaffte es,] Belgrad davon zu überzeugen, dass der Kosovo es nicht Wert sei, die europäische Perspektive aus den Augen zu verlieren. Die Tatsache, dass Europa sich diesbezüglich als starke „Softpower“-Macht durchsetzt, ist unter den derzeitigen Umständen ganz besonders wichtig, zumal die EU aufgrund der Wirtschaftskrise immer unbeliebter geworden ist.

Aufseiten des Kosovo begrüßt Gazeta Shqip das „historische Abkommen“, das

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den Albanern erstmals erlaubt, ihre Zukunft, ihre Gebiete und ihre Grenzen selbst in die Hand zu nehmen. [...] Mit seiner Unterschrift erkennt Serbien de facto einen Staat an, der sich von ihm abgetrennt hat. [...] Im Balkan gibt es nun zwei albanische Staaten, d. h. zwei Möglichkeitsräume für all jene, die sich auf dem Markt der europäischen Werte behaupten wollen, indem sie eine funktionstüchtige Demokratie und einen Rechtsstaat schaffen.

Während Express einräumt, dass das Abkommen „legale und politische Möglichkeiten schafft, um den Norden des Kosovo zu integrieren, ohne dabei Pristinas Gesetzen oder seiner Politik zu schaden“, meint es dennoch, dass

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es unrealistisch wäre, zu glauben, dass dies in den vier Gemeinden mit serbischer Mehrheit ohne Protest und ohne Spannungen vonstatten gehen wird. Die Unterschiede könne man nur dann berichtigen, wenn Pristina und der Westen politisch und organisatorisch eng zusammenarbeiten. [Nur dann] könne man sich gegen die serbischen Versuche wehren, die dieses Abkommen endgültig vermasseln wollen. Schließlich ist der Erfolg der Vereinbarung davon abhängig, ob sie vollständig umgesetzt wird.

Auf derselben Wellenlänge verurteilt Koha Ditore das Brüsseler Abkommen, das seiner Meinung nach keineswegs aus der momentanen Sackgasse im Kosovo führt:

Solange der Kosovo nicht wie ein normaler Staat funktioniert, nützt es auch nichts, von Serbien anerkannt, noch in die UNO aufgenommen zu werden. Indem Belgrad in den Gemeinden mit serbischer Mehrheit auch weiterhin die Exekutivgewalt innehat, behält sich [Serbien] die Möglichkeit vor, alle Reformen im Kosovo – und dadurch auch den Staat – zu sabotieren.

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