Regionalwahlen in Katalonien

„Klarer Triumpf, ungenügendes Mandat“

Am 27. September wurden die Katalanen aufgerufen, ein neues Regionalparlament zu wählen. Die Befürworter der Unabhängigkeit, allen voran der amtierende Präsident der Region, Artur Mas, haben die absolute Mehrheit der Sitze im Parlament – jedoch nicht an Stimmen – gewonnen.

Veröffentlicht am 28 September 2015 um 16:45

Die spanische Presse ist ob der Interpretation des Ergebnisses gespalten. Je nach Haltung gegenüber dem katalanischen Nationalismus ist das Ergebnis entweder ein klares Zeichen für die Unabhängigkeit, oder jedoch Ausdruck der Wähler, Teil Spaniens bleiben zu wollen.

Die Tageszeitung aus Madrid fasst in einem Leitartikel mit dem Titel „Niederlage und Sieg“ die Mehrdeutigkeit des Ergebnisses zusammen – ein Ergebnis, das in jedem Fall jedoch nicht ohne Konsequenzen bleiben kann:

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Niemand kann dieses Ergebnis ignorieren. Alle, auch die Regierung, müssen reagieren. Die Wahlen in Katalonien haben viel Bedeutung. Trotz der Verwirrung um den Typ der Abstimmung (Wahl oder Referendum) und trotz der geringen Qualität der Debatten war die Wahlbeteiligung außerordentlich – ein historischer Rekord für Regionalwahlen.

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„Eine der wichtigsten Schlussfolgerungen des gestrigen Ergebnisses ist, dass die katalanische Gesellschaft sehr vielfältig ist“, schreibt die Tageszeitung aus Barcelona in einem Leitartikel:

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Sechs unterschiedliche Parteien werden das Parlament bilden. Befürworter der Unabhängigkeit, des Status quo, Reformisten, föderalistische Sozialisten und jene, die sich selbst als ‚anti-System’ bezeichnen. Eine Mehrstimmigkeit, die eine komplexe, jedoch auch offene, reife und engagierte Gesellschaft definiert.

Für die Tageszeitung aus Madrid ist die Position von Artur Mas nach den Wahlen noch nicht ausgereift.

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Während seiner Reise zur Unabhängigkeit hat sich Artur Mas auf eine gemeinsame Liste mit ERC und den Befürwortern der Unabhängigkeit eingelassen – nun braucht er die Hilfe der CUP um die Abkopplung von Spanien in Gang zu setzen. Das alles mit keiner klaren Legitimität, das er – mit der CUP – 50% der Stimmen nicht erreicht hat.

Für Enric Hernández, den Direktor dieser katalanischen Tageszeitung, handelt es sich um einen „klaren Triumpf“ für die Befürworter der Unabhängigkeit. Dennoch merkt er an, dass Mas und seine Koalition ein „ungenügendes Mandat“ erhalten hat, um die Unabhängigkeit voranzutreiben.

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Mit einer den Umständen angemessenen Rekordbeteiligung haben sich die Befürworter der Unabhängigkeit als klaren Sieger der Wahlen vom 27. September erklärt, wenn man die Abstimmung wie klassische Regionalwahlen analysiert. Jedoch haben weder Mas, noch seine Koalition Junts pel Sí, noch die möglichen Partner der CUP die Abstimmung als Wahl eines neuen Präsidenten und eines neuen Parlamentes gesehen, sondern als Volksentscheid über die Unabhängigkeit. Mit dieser Analyse ist das demokratische Mandat der Junts pel Sí nicht genug im Hinblick auf das Engagement, das in dessen Namen verfolgt wird.

„Artur Mas hat nicht nur seine erzwungene ‚Volksabstimmung’ verloren, sondern hat außerdem eine gespaltene Region ohne Regierungskonzept entstehen lassen“, schreibt Alfons Ussía. Für den Kommentator der konservativen Tageszeitung aus Madrid –

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Ist die erste Lektüre dessen, was sich gestern im Fürstentum [sic!] abgespielt hat, dass die von der Generalitat [der katalanischen Regierung] gewünschte separatistische Koalition neun Sitze verloren hat gegenüber dem Ergebnis, dass die beiden Parteien im November 2012 erzielt haben.

„Die nationalistische Wette von Artur Mas und Oriol Junqueras“, dem Mann an der Spitze der linken, pro-Unabhängigkeit Partei Esquerra republicana de Catalunya, „ist in den Urnen zersplittert“, schreibt die konservative Tageszeitung. Ebenfalls bemerkt El Mundo, dass Podemos mit „11 Sitzen und weniger als 9% der Stimmen ... in Katalonien versagt hat.“

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Die Katalanen haben klar gemacht, dass sie die Unabhängigkeit nicht wollen, weil die Summe der Stimmen für Junts pel Sí und der CUP 48% nicht erreicht. Diese Zahl zeigt, dass die katalanische Gesellschaft gespalten ist, was wiederum jedem Versuch einer Unabhängigkeitserklärung die Legitimität nimmt.

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